Anfang und Ende - Ende und Anfang

 

Immer wieder sind wir beim Jahreswechsel für Begriffe wie "Anfang" und "Ende" besonders sensibilisiert. In der Nacht, wenn die Zeiger der Uhren mit einem kleinen Minutensprung ein neues Jahr einleiten, werden wir uns (vor allem mit fortschreitendem Alter) bewusst, wie sehr unsere Lebensphasen von diesen Themen bestimmt werden.

Von einem Anfang, welcher Leser dieser Zeitung interessieren könnte, einem persönlichen Ende (Abschied) und von einem erhofften und empfohlenen Anfang, den ein bestimmter Lesekreis interessieren sollte, wollen wir kurz berichten.

In den 80-er Jahren wurde Pfr. Wieland Graef von der Baden-Württembergische-Landeskirche als Pfarrer für Spätaussiedler verpflichtet. Schwerpunkte seiner Tätigkeit waren die Integration der Flüchtlinge aus den Ostblockländern und damit verbunden das Werben um Verständnis für die Neuankömmlinge bei den Altbundesbürgern. Mit der Auseinandersetzung zu diesen Themen und der sich daraus ergebenden Probleme überlegte Graef wie man den oft skeptischen Einheimischen beweisen könnte, dass die Dazugekommenen keinesfalls aus einem kulturellen Niemandsland kommen, sondern mit ihren Traditionen durchaus auch Bereichernde sein können. Auffallend war, wie durch den Zuzug dieser Menschen die Zahl der Gemeindeglieder in den Kirchen sprunghaft anstieg. So war es naheliegend, dass dem ehemaligen Bachchorsänger aus Kronstadt und Hermannstadt, Wieland Graef, die Idee kam, ausgesiedelte Sänger, die durch die Schule so namhafter Musikpädagogen wie Bickerich, Dressler, Irtl, Scheiner, Philippi, Schlandt u.a. gegangen waren, anzusprechen und aufzufordern, sich an einem Projekt zu beteiligen. Zielsetzung des Projekts: anspruchsvolle Musik aus den Herkunftsländern den Menschen in der neuen Heimat bekannt machen, um dadurch Brücken zueinander zu bauen. Graefs Aufruf fand ein so vielstimmiges Echo, dass der Vater der Idee sich beherzt an das Organisieren des Wie, Womit, Wo und Wann machen konnte. Mit dem ausgesiedelten Pfarrer Dieter Barthmes, der nebenbei ein Vollblutmusiker ist, wurde ein geeigneter Leiter für das Projekt gefunden. Damit war der Anfang gemacht.

Zwischen Weihnachten und Sylvester 1987 trafen sich erstmals sangeswillige und sangesbegabte Siebenbürger in Bergalingen, im Südschwarzwald zu einer Woche Chorarbeit. Altes und neues Notenmaterial wurde beschafft. Mit großer Begeisterung stürzten sich Sänger und Dirigent in die neue Aufgabe. Dass man richtig Singen nur mit Spaß betreiben kann und dass, falls nicht gleich vorhanden, dieser sich automatisch einstellt, weiß jeder, der seine Stimme zum Lobe Gottes schon mal eingesetzt hat. Durch das gemeinsame Musizieren lernte man sich näher kennen, es entwickelte sich eine schöne Chorgemeinschaft. Seither trafen und treffen sich die Sänger jedes Jahr, anfangs zwischen Weihnachten und Neujahr, später oft nach Bedarf. Selbstverständlich wollten wir nicht als anonymer, namenloser Verein auftreten. Nach einigen Überlegungen bot sich bald ein passender Name an: Die "Siebenbürgische Kantorei" wurde aus der Taufe gehoben. Pate stand das "Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen und Evangelischen Banater Schwaben im Diakonische Werk der EKD"

Die in der Chorwoche erarbeiteten Werke wurden dann in Gottesdiensten und Konzerten zu Gehör gebracht. Durch Barthmes´ doppelte Beziehung zur geistlichen Musik, musikalisch wie theologisch, wurde immer die geistliche Aussage der Stücke vertieft und ins Zentrum gestellt. Auf diese Weise erlebten sowohl Aufführende wie auch Zuhörer die Darbietungen unserer Kantorei, über den musikalischen Genuss hinaus jedes Mal wie einen eindrucksvollen, lebendigen Gottesdienst. Mit der Zeit nahmen die Aufforderungen bei Heimattreffen, Kirchentagen, hohen Fest- und Feiertagen mitzuwirken, zu. Durch positive Rückmeldungen beflügelt, konnten wir eine stete Qualitätsverbesserung unseres Chores erreichen.

Dieter Barthmes erhielt nach längerer Wartezeit endlich eine Pfarrstelle in Deutschland angeboten. Die Doppelbelastung, die er dadurch bei den Vorbereitungen für die Chorarbeit gehabt hätte, konnten wir ihm nicht zumuten. Zum Glück erklärte sich die bekannte Organistin Ilse Maria Reich bereit, die Leitung der Kantorei zu übernehmen. Das war um Weihnachten 1995.

Inzwischen gab es mehrere Aus- und Eintritte in unserem Chor, die insgesamt ebenfalls zur Verbesserung der Qualität beitrugen und die Einstudierung schwieriger und moderner Werke ermöglichten. Hinzu kam dank des persönlichen Einsatzes von Frau Reich die Mitwirkung von Instrumental- und Gesangsolisten, vor allem aber ihr eigener Beitrag als Virtuosin auf der Orgel, die unsere Konzerte bereicherten. Insgesamt wurde die "Siebenbürgische Kantorei" zu einer Institution, die sich hören lassen kann.

Natürlich gibt es für diese musikalische Gemeinschaft immer wieder besondere Höhepunkte, wie die Chor-Reisen: 1996 nach Südafrika (ehemaliger Wirkungsbereich von Pfr. Graef); als herausragendes Ereignis 1999 nach Siebenbürgen und Bukarest, bei der wir die Bindungen zur alten Heimat vertiefen konnten; 2002 zusammen mit der Rottenburger Singgemeinschaft nach Prag; 2006 nach Frankreich und 2007 besuchten wir Luxemburg, (neben Hermannstadt die andere Europäische Kulturhauptstadt des Jahres) woher vor über 800 Jahren unsere Vorfahren nach Siebenbürgen ausgewandert waren.

Obwohl es schwer fällt, wollen wir uns aus Altersgründen von dieser schönen Chorgemeinschaft verabschieden. Gleichzeitig liegt uns am Herzen, den Stab an jüngere Menschen weiterzugeben. Wer da gerne mitmachen will, kann sich an den Vorstand Frieder Latzina (Tel: 0721/884972) oder direkt an die Dirigentin Ilse Maria Reich (Tel: 0871/9666673) wenden. Wir sind sicher, dass die Mitwirkung in der "Siebenbürgischen Kantorei" für alle Sangesfreudigen der Anfang einer lohnenden, erfüllenden und bereichernden Zeit sein kann.

Wir bleiben Euch in Dankbarkeit herzlich verbunden und wünschen Euch auch weiterhin Freude am Musizieren, gutes Gelingen für weitere Vorhaben und Gottes Segen.

Otmarianne Danek

Marl, im Dezember 2007

 

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