Hören und Sehen mit der Siebenbürgischen Kantorei

 
Manchmal vergehen uns Hören und Sehen. Nicht so mit der Siebenbürgischen Kantorei während ihres Treffens in der Zeit nach Weihnachten, vom 1. bis 7. Januar 2006 in der Evangelischen Akademie in Bad Herrenalb.
"Hören" und "Sehen" waren Stichworte der Predigt von Pfarrer i. R. Hermann Kraus, im Gottesdienst am Erscheinungsfest am 6.1. in der großen Stadtkirche Karlsruhe. Der Bereich "Hören" wurde von der Kantorei unter Leitung von Ilse Maria Reich abgedeckt.
Sie, die leidenschaftliche Musikerin, sowohl an der Orgel, als auch mit dem Dirigentenstab, versteht es nach wie vor, die ca. 30 Sängerinnen und Sänger mal mit Humor, mal mit verhaltener Kritik, zu Ausdauer und minutiöser Nuancierung der zu übenden Kompositionen zu motivieren. Dass bis zu 8 Stunden täglich geprobt wurde, spricht für die Freude und Stetigkeit, mit der die Chormitglieder dabei sind. Nach der Kurzandacht ist schon das morgendliche Einsingen,
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verbunden mit gymnastischen Elementen und skurrilen Wortschöpfungen; die der Ton- und Stimmbildung dienen, von Erika Wagner mit Vitalität eingeübt, Anlass zu Launigkeit und Lachen und das tut dem größtenteils geistlichen Kantoreiprogramm von seiner Aussage her beileibe keinen Abbruch, denn Christen haben Grund, fröhliche Menschen zu sein. Das hat nichts mit jener Lächerlichkeit zu tun, mit welcher manche Personen der Öffentlichkeit und einige Medien in zunehmendem Masse geistliche Aussagen oder Texte bedenken. Nein, wenn Fröhlichkeit eine geistliche Verankerung hat, ist sie nicht schal oder oberflächlich. Darum ist der Zusammenhalt, die Stimmung und die menschliche (nicht allein die musikalische) Harmonie in der Kantorei mitbestimmend dafür, dass ihre Mitglieder bei allen Strapazen und Selbstkosten so gerne mitmachen.
Erfreulich auch, dass junge Stimmen dazukommen. Einige zusätzliche jüngere Soprane würden allerdings den Chorklang abrunden.
Also freundliche Einladung an "Vorbelastete". Gegebenenfalls können sie sich beim Chorfaktotum, Frieder Latzina (Tel. 0721 - 884972), melden. Seit einigen Jahren ist er Organisator, Notenwart, gelegentlich sogar Komponist, Kassier und Vorsitzender der Kantorei in einer Person und entsprechend ausgelastet.

Die während der Singrüstzeit neu erarbeiteten bzw. aus dem Repertoire der früheren Jahre wiederholten Werke wurden zum Teil im Gottesdienst mit siebenbürgischer Liturgie am Erscheinungsfest und anschließendem Konzertteil zu Gehör gebracht. Die Komponisten Johann Sebastian Bach, Rudolf Lassel, Josef Gabriel Rheinberger, Hans Peter Türk, Heinrich Schütz, Hans Leo Hassler, Max Reger, Felix Mendelssohn Bartholdy, Franz Xaver Dressler, Moritz Hauptmann, Horst Gehann, D. G. Kiriac, Gottfried August Homilius, Camille Saint-Saens und andere waren in Probe und Aufführung zu hören.
In der Predigt über die drei Magier aus dem Morgenland sprach Pfarrer i. R. H. Kraus, in eingängig, bildhafter Weise die Sinnesorgane an, spezifisch das Ohr und Auge, mit Hilfe derer die Weihnachtsbotschaft begriffen werden kann. Das Licht, der Stern, dem die Magier folgten, führe zur Krippe, zu Christus. Zum Sinn der Weihnachtsbotschaft gehöre aber nicht nur der Empfang des Lichts durch den Menschen und die damit gegebene Orientierung sondern auch seine Reflexion durch uns in die Dunkelheiten anderer Menschen. Im Hören der Musik, z.B. vom Chor dargeboten, könne über sprachliches Verstehen hinaus, das Geheimnis der Menschwerdung Gottes wahrgenommen werden. Also: Sehen und Hören, Auge und Ohr, als Instrumente zur Wahrnehmung Gottes und dann Gestaltung der Botschaft in den Alltag anderer Menschen hinein.
Ein besonderes Erlebnis war wieder das Orgelspiel von Ilse Maria Reich. Die Spannung zwischen der Wucht der Eingangstöne und den feinfühliglieblichen Passagen des c-Moll Präludiums von Rudolf Lassel beim Orgelvorspiel klingen lange nach. Ilse Marias Dynamik, ihr Fleiß und ihre Energie bei der Vorbereitung und Durchführung der Proben, Gottesdienste und Konzerte, ihre energische und präzise Art des Dirigierens suchen ihresgleichen.
Die für den Sommer d. J. ursprünglich geplante Chorreise nach Kanada kann aus finanziellen Gründen leider nicht realisiert werden. Nun wird die Kantorei einen Konzertaufenthalt im Perigord, in Frankreich vom 3. bis 13. September durchführen. Für das Jahr 2007 ist die Mitgestaltung des Heimattages in Dinkelsbühl (Gottesdienst und Konzert) ins Auge gefasst worden und gleich anschließend eventuell eine Konzertfahrt nach Luxemburg, einem der Aussiedlungsgebiete der Siebenbürger Sachsen, und zusammen mit Hermannstadt, Kulturhauptstädte Europas 2007. Ob ein Wiedererkennen verwandtschaftlicher Gegebenheiten nach Jahrhunderten möglich wird, bleibt eine spannende Frage.

Wieland Graef

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Mehr Fotos von dieser Singrüstzeit gibt es hier

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